Eliza Ballesteros – RECKON

16.11. – 9.12.18

 

Text: Hannah Rhein
Translation: Simon Pinney

Dt.: (for English version, please scroll down)

Transformationen.
glauben, meinen, denken, berechnen – von der Idee zum Wissen; aus der Fiktion in die Realität; vom Material zum Objekt: RECKON.
Material hat Eigenschaften, die Formen bestimmen, Objekte definieren; ihnen Struktur und Ausdruck verleihen. Erst durch den Einsatz von Hand und Maschine kann aus dem Ersten etwas Zweites werden, das die Betrachterin als solches zu erkennen weiß.
Doch irritiert die Relation: Groß ist, was doch klein sein sollte; still ist, was ankündigt. Die Fenster ermöglichen nur eine Perspektive auf Zimmer, die betreten werden wollen, aber Vorbeilaufende müssen draußen bleiben und können sich nur in der Fiktion im Kunstraum bewegen und seine Dimension aus anderen Winkeln prüfen. So muss der Gedanke die Schwelle übertreten, die Tür zum nächsten Raum öffnen und so das eine zum anderen bringen. Das Verbindende wird zentral – auch wenn die Kette aus einzelnen Gliedern besteht, ist sie erst in der Zusammenkunft der Einzelteile vollständig und als solche zu definieren. Doch was liegt dazwischen? Was muss so dringlich überwunden werden?

Eliza Ballesteros setzt ihre bildnerischen Objekte ins Bild; sie nutzt die Fenster des ≈5 als Rahmen und macht ihre Arbeiten zueinander erfahrbar. Dieses wundersame Hinterzimmer in der fließenden U-Bahn-Station irritiert und hält auf; doch bloß so kann sich ein Gedanke ins Abseitige der Gewohnheit verlaufen. Wir stoppen unsere Bewegung und ruhen, nutzen die Möglichkeit des Aufgehaltenwordenseins und setzen uns mit dem, was vor uns steht, auseinander. Und was sehen wir? Einen abgelegten Cowboyhut, der in seiner Materialität seinem patriarchalen Träger zu wiedersprechen scheint; Glöckchen, deren Klang verstummt und nicht mehr zu seinem ursprünglichen Besitzer gehören können, zu groß sind sie für den Narren geworden; der Harlekin muss nun ein Anderer sein. Aber wer ist der Übermächtige?

Geht es denn darum, das Ungeklärte zu lösen und das Trennende zu entfernen? So zeigt uns doch erst die Brücke zwischen dem Uneinen, wie eine Distanz negiert werden kann; denn „jede Trennung ist eine Verbindung“¹. Eliza Ballesteros findet ein Bild für Simone Weils Metapher der durch Wände getrennten und doch über sie kommunizierenden Gefangenen und macht so auf das Dazwischen aufmerksam, indem hier eine Kette in ungewöhnlicher Größe und Stärke inszeniert wird.

Eng.:
TRANSFORMATIONS.
to believe, to suppose, to think, to calculate – from idea to knowledge, from fiction to reality, from material into object: RECKON.

Objects are determined by the material from which they are made. Material defines the form and texture of an object and endows it with expression. Only through the work of hand and machine can something initial be turned into something secondary, and the observer recognizes this as such. But the relation of scale irritates: large is what should be small; silent is what should be herald. Windows only give a certain perspective of a room; one wants to enter, but passers-by have to remain outside and can only move fictionally through the art space to examine its dimensions and assorted angles. The thought has to transgress the threshold and thereby open the door to the next room, bringing the one into the other. Points of intersection become central: although the chain consists of individual parts, a complete definition must include the meeting of its individual links. But what lies in the in-between? What needs to be negotiated so immediately?

Within this context, Eliza Ballesteros brings her installation into view. She uses the windows of the ≈5 space as a frame to make her works tangible to themselves. This wondrous backroom, situated in the middle of a bustling U-Bahn station, irritates and disturbs in the face of indifference: through this interruption, one is confronted with the absurd within the commonplace and habitual. Movement comes to a halt and this moment of interruption exposes a number of objects to the viewer. A discarded cowboy hat, who’s materiality seems to contradict its patriarchal wearer. Small bells, now silent, who no longer belong to their original owner; now too big for the fool, the jester needs to be someone else. But who is the superior?

Is it about resolving the unexplained and eliminating separation? The bridge between the disjunctive shows us how to negate the distance, because „every separation is a link“¹. Eliza Ballesteros work exemplifies Simone Weil’s metaphor of the prisoners, who communicate with each other through the walls of their jail cells. With the staging of a chain, unusual in its size and strength, Ballesteros highlights the interjacent.

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¹Weil, Simone: Gravity and Grace. Routledge & Kegan Paul, 1952. [Weil, Simone: »La Pesanteur et la Grâce«. Paris 1947.], S.197.