Linda Marwan – Flight of Fancy

 

Linda Marwan – Flight of Fancy

“Twenty years ago when we founded this Council we said, ‘Make an end to it—we will not waste what hope is left to us by building weapons of war.’ We knew this day would come; we hoped only that when it did we would have other kinds of weapons to fight with. Now it’s here. Now we had better be ready to take up the challenge, as Lily said. Or we will die, and perhaps the earth will rethink this whole experiment in consciousness and start afresh to grow some other form, less aggressive maybe, less extreme, less surprising.” (Starhawk, The Fifth Sacred Thing)

Linda Marwans Skulpturenensemble aus ihrer fortlaufenden Serie „The Self appearing as Body“ besteht aus isolierten, umsichtig angeordneten Elementen, die durch Abguss des eigenen Körpers sowohl feminine, sexualisierte Körperteile und die Ästhetik eines Videospiels aufgreifen. Damit implementieren sie etwas fantastisches in unsere postfeministische Realität. Mit seinem lauernden Konservatismus läuft er ständig Gefahr, auf den Kopf gestellt zu werden.

Die Welt des Gaming ist eine, die ohne das Risiko gecancelled zu werden auskommt. Sie schützt Misogynie ohne jegliche Nachwirkung oder Reaktion. Als Anita Sarkeesian ihre feministische Kritik an femme Videospielcharakteren Tropes vs. Women in Videogames herausbringt wird ihr mit einer unglaublichen Gegenreaktion und Belästigung begegnet, die feministische Kritik wurde als Attacke gelesen. Femme Charaktere in Spielen tragen selten eine richtige Rüstung, sondern meistens Lingerie. Ihre Waffen sind ihre femininen Qualitäten — in der misogynsten Bedeutung. Macht wird hier ihrer Möglichkeit, dem male gaze zu gefallen gemessen: viel zu wirklich.

Während sich ihre Kunst nicht gegen diesen reaktionären Teil des gaming rechtfertigen muss, so scheint Marwan einen strategischen Essentialismus anzuwenden: die isolierten Körperteile legen Objektifizerung nahe, ihre Anordnung als Landschaft weckt die Assoziation Frau-Natur. Aber statt diese historisch gemachten Verknüpfungen zu zementieren werden sie spielerisch präsentiert.

Das trifft auch auf die Malereien zu, die sie unter dem Titel „Flight of Fancy“ oder Höhenflug subsummiert. Das Sprichwort stammt aus dem 15. Jahrhundert und ist ursprünglich als Stichelei gemeint, ein Fehlen realistischen Denkens (als wenn sich an eine Realität zu halten die dich ablehnt jemals positiv sein könnte). Die Tiere-Helden, die in den Malereien leben besitzen individuelle Qualitäten — im Kontrast zu den Rüstungsstücken, die bewusst konstruiert sind um ihre fehlenden Subjekteigenschaften zu verdeutlichen.

Der Held als Trope bricht die komplexen Verflechtungen der politischen Ereignisse auf ein simples Narrativ von Eroberung herunter. Eine Großspurigkeit, die mit (toxischer) Maskulinität in Verbindung gebracht wird, übertragen auf die Tierfiguren wirkt es beinah
niedlich. Marwan möchte, dass wir uns die Einfachheit davon, durch solch eine Heldeneroberung Veränderung zu initiieren vorstellen. Wieder scheint der Begriff strategisch von seiner ursprünglichen patriarchalen, kolonialen Bedeutung gestohlen zu sein.

Wendet Fantasy als Ort für reaktionäres Denken nicht seine Spezifizität und Nutzen um, wenn diese Besonderheit das anders träumen ist? Solange, wie fantastisches Denken von patriarchalen Werkzeugen dominiert ist wird die Folge von seinem Herausgefordert- werden immer zeigen, wie real träumen sein kann: In lyrischen Worten:

“But a real vision, a real change, isn’t safe,” Maya said. “You don’t pay a workshop fee for it, you pay with your life.”

Schreibt Starhawk in ihrem Roman Walking to Mercury. Sarkeesian hat ihre Sicherheit dem Drang, etwas zu verändern, untergeordnet. Aber was, wenn als Gegensatz zu Lingerie als Waffe, und Krieg als einziges Werkzeug für Veränderung Verspieltheit und Ironie die Waffen unserer Wahl sind? Marwans Titel „Flight of Fancy“ scheint diese Interpretation willkommen zu heißen. Es ist ein Call, den eigenen Humor zu bestimmen, Spiel, Überfluss zu begrüßen, in der Lage zu sein, gegen Widerstand Freude zu initiieren.