Tenki Hiramatsu – Der Räuber und der Prinz

07.06. – 30.08.2019

Text Hannah Rhein:

Wechselspiel

Der Katalog zur Ausstellung Bilder, die lügen warnt vor der Gefahr, die potentiell in Bildern steckt.¹ Wohl gemerkt wurde die Ausstellung nicht in einem Kunstmuseum, sondern im Haus der Geschichte in Bonn und im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig gezeigt. Hier sollte Aufmerksamkeit dafür geschaffen werden, dass Bilder – insbesondere Fotografien – kein Abbild der Wirklichkeit, sondern vielmehr Abstraktionen von Realität sind.² Es soll gewarnt und aufgeklärt werden, denn Bilder haben Macht, ob der Möglichkeit, unbemerkt manipuliert zu werden. „Kein Bild ist authentisch, kein Foto objektiv“³ ruft uns der Katalog in Erinnerung. Gerade die Fotografie wird hier in den Mittelpunkt gestellt, da sie allzu oft „als ‚objektiver‘ Beleg für eine Behauptung“⁴ genutzt wird. Figurative Bilder erzählen Fiktionen, die nicht mit der Realität verwechselt werden dürfen – Tenki Hiramatsu nutzt diese Gefahr der Lüge. Doch bedient er sich des Mediums der Malerei, sodass sich Gefahr in Potential verwandelt. Der Betrachter und die Betrachterin wissen, worauf sie sich einlassen. Beim Sehen und Lesen der Bilder muss nicht gewarnt werden – es muss nicht aufgeklärt werden, denn bereits durch das Label Kunst ist die Rezeption auf fiktionale Bildinhalte eingestellt. Schon das Abstecken einer Fläche erwecke in den Betrachtern und Betrachterinnen die Erwartung nach einem Bild, so Matthias Bruhn: „[D]er bloße Rahmen [wird] zum Anzeiger einer präfigurativen Erwartungshaltung“.⁵ Die Einstellung zum Bild bestimme also schon vor der Wahrnehmung die Rezeption und, so erklärt Bruhn weiter, begründe den Wunsch, das nun Folgende lesen zu können, da durch eine Bildfläche insbesondere das Figurative, das Wiedererkennbare angedacht werden würde.⁶ Sowohl Malende und Sehende konstruieren demnach als Erwartende gemeinsam den Bildinhalt. ⁷ Tenki Hiramatsus Ausstellung Der Räuber und der Prinz in den Räumen des ≈ 5 nimmt dieses Wechselspiel in sich auf: Auf der Suche nach einem Blick zurück aus den Bildern, schreibt sich der Malakt im Sehprozess fort. Das Auge versucht fortwährend Figuratives zu entdecken und eine Narration um das Visuelle zu konstruieren. Auch über die einzelnen Gemälde hinaus, greift Tenki Hiramatsu in die auf der linken Seite noch klassische Präsentation ein, um sie im rechten Schaukasten zu brechen. Nicht nur der Produktionsprozess erweitert sich bis zum Lesen der Bilder, selbst der Raum des ≈ 5 wird in sich selbst überschritten, indem sowohl inhaltlich als auch real architektonisch die Begrenzung aufgebrochen wird. So wird nicht nur ein Einblick in die Institution des Raumes gegeben, sondern auch in die potentielle Ausdehnung der künstlerischen Produktion.

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¹ Vgl. dazu Ausst.-Kat., Bilder, die lügen, Bonn, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, 1997/98; Leipzig, Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland Zeitgeschichtliches Forum, 2000. Bonn 1998, 2000.
²Vgl. dazu Hermann Schäfer, »Vorwort«, in: Bilder, die lügen, S. 6-9, hier S. 6.
³Jürgen Reiche, »Macht der Bilder«, in: Bilder, die lügen, S. 10-19, hier S. 16.
⁴ Thomas Brehm, »Ziel, Konzeption und Gestaltung der Ausstellung«, in: Bilder, die lügen, S. 20f., hier S. 20.
⁵ Vgl. dazu Matthias Bruhn, »Erschließung von Sichtbarkeit: Bilder als Erwartungsflächen«, in: Iris Höger, Christine Oldröp u. Hanna Wimmer (Hg.): Mediale Wechselwirkungen. Adaptionen | Transformationen | Reinterpretationen (= Schriftenreihe der Isa Lohmann-Siems Stiftung, Bd. 6). Bonn 2013, S. 150-167.
⁶ Ebd., S. 153.
⁷ Ebd., S. 155-158.

Mit freundlicher Unterstützung der/with kind support by Kunststiftung NRW